warum ist nähen frauensache?
Jeder kennt sie die Bilder aus den Textilfabriken, riesige Hallen, hunderte Nähmaschinen und genauso viele junge Frauen, die Seite an Seite immer wieder die gleiche Naht nähen. Oder die Bilder von Rana Plaza, die Interviews mit den weinenden Näherinnen, die von den katastrophalen Zuständen in dem maroden Gebäude berichten, von ihren verstorbenen Freundinnen, Schwestern oder Töchtern.
Fällt euch was auf? Näherinnen, Freundinnen, Schwester, Töchter, Mütter – unsere Kleidung wird hauptsächlich von Frauen gefertigt. Weltweit sind etwa drei viertel aller in der Textilindustrie Beschäftigen weiblich. Doch warum ist eigentlich das so? Unsere dritte Frage, die nur selten gestellt wird ist, unsere unFAQ3 lautet: Warum wird unsere Kleidung eigentlich von Frauen gemacht? Und ist das nun gut (Frauen haben eine Verdienstmöglichkeit) oder schlecht (Frauen werden unter unwürdigen Bedingungen ausgebeutet)? Und überhaupt: Warum beschäftigt ihr als Jyoti eigentlich auch nur Frauen? Ihr seht, Fragen über Fragen, denen wir uns alle mal stellen sollten…
made by women
Seit den 1970ern ist der Frauenanteil in arbeitsaufwendigen Industrien ständig gestiegen. Der Ökonom Guy Standing prägte für diese Entwicklung den Begriff “Feminisation of Labour” (Quelle). Die Textilindustrie war und ist eine der Industrien in der am meisten Frauen arbeiten. Weltweit sind über drei Viertel der Beschäftigen Frauen, in Indien rund 60%, in China 70%, in Bangladesh 85% und in Kambodscha sogar 90% (Quelle). Doch warum ist das so, ist doch traditionell die Schneiderei eigentlich ein Männerdominiertes Handwerk (Link zu Woche 1). Und ist das nun ein Schritt Richtung Emanzipation und Gleichberechtigung? Schließlich kämpften Generationen von Frauen überall auf der Welt dafür arbeiten zu dürfen. Oder ist das der nächste Schritt auf der Suche nach immer noch billigeren Arbeitskräften, also schlicht Ausbeutung?
Die Antwort darauf ist: Beides.
Follow me around – Die Nähwerkstatt
Halima und Suvarna zeigen euch wie und wo unsere Produkte handgenäht und bestickt werden.
De-Skilling
„Women taught me how to do the unskilled work.’’ (1)
In einer konventionellen Textilfabrik sitzen Näherinnen Tag für Tag an ihrer Nähmaschine, um immer und immer wieder die gleiche Naht zu nähen. Immer, immer, immer wieder Ärmel an Schulter nähen. Und der nächste Ärmel an die nächste Schulter. Dieses “de-skilling”, also die Methode, dass jede Näherin nur einen einzigen Schritt beherrscht, führt dazu, dass sie ziemlich schnell austauschbar ist. Diesen Arbeitsschritt kann schließlich innerhalb kürzester Zeit jemand neues lernen. Es führt dazu, dass die Arbeit miserabel bezahlt werden kann, denn es steckt ja keine Fähigkeit dahinter, sondern nur stupides Ausführen. Und es führt dazu, dass der Druck enorm ist: Wer sich beschwert oder zu langsam ist fliegt – man/frau ist ja so leicht zu ersetzen.
Bei uns sind unsere indischen Teammitglieder in jeden Arbeitsschritt involviert: Vom Zuschneiden der Stoffe, Nähen der Produkte bis hin zum Besticken und finalen Bügeln. Englisch- und Alphabetisierungskurse, sowie Grundlagen in Buchhaltung gehören auch zum Arbeitsalltag. So erwerben die Frauen tatsächliche Fähigkeiten, mit denen sie sich eventuell auch im Falle eines Umzugs, außerhalb Jyotis einen besser bezahlten Job erwerben können.
(1) Labourer in India. van der Loop (1996), p. 390
Fazit: Her mit den guten Jobs!
Die Textilindustrie ist nach der Landwirtschaft der größte Arbeitgeber in Indien. Rund 45 Millionen Menschen, die Mehrzahl davon Frauen arbeiten in diesem Bereich. All diese Arbeiter und Arbeiterinnen sind auf diese Jobs angewiesen, sie haben keine Alternative. Klar ist: Eine Arbeitsstelle ist das wichtigste Mittel gegen Armut! Nur ist die momentane Situation vielen Frauen in der Textilindustrie so, dass sie mehr als Vollzeit arbeiten und trotzdem arm sind! Unser Fazit: Die Lösung ist nicht, Frauen wieder nach Hause zu stecken, damit sie nicht mehr in der Industrie ausgebeutet werden. Die Lösung muss sein, gute Jobs zu schaffen. Arbeitsplätze bei denen weder Gesundheit, noch Leben aufs Spiel gesetzt werden und mit Löhnen, durch die Familien ernährt werden können. Und deshalb haben wir das einfach gemacht!