Ist Fair teuer?
Handgewebt, handbestickt, handbedruckt. Und alles in fair. Das klingt ganz schön teuer. In der Tat, der Preisunterschied zwischen konventioneller Kleidung bestimmter schwedischer oder irischer Textilunternehmen und fair produzierter Kleidung lässt einen (auch uns!) oft erstmal schlucken. Gerade in schmale Budgets ist faire Kleidung oft einfach nicht drin.
Wirklich? Ist faire Kleidung wirklich zu teuer? Oder sind wir nach 1980 Geborenen vielleicht einfach verkorkst? Als wir ins Teenageralter kamen und das erste mal unser hart erspartes Taschengeld in fetzige Tops und Röcke investiert haben, konnten wir für 50 Euro gleich drei Partyoutfits erstehen. Wir sind mit Dumping-Preisen aufgewachsen. Vielleicht, nur ganz vielleicht, ist konventionelle Mode ja auch einfach zu billig?
Die Erfindung des 5 Euro T-Shirts
Es mag überraschend klingen, aber es gab nicht schon immer T-Shirts zum Preis eines laktosefreien Latte Macchiatos. Doch seit wann ist das so? Und warum?
In den letzten 40 Jahren wurde die Textilindustrie umstrukturiert – und zwar komplett in einem Ausmaß und einem Tempo, das nur schwer zu begreifen ist. Seit den 1960er und vor allem den 1970ern wurden arbeitsintensive Produktionen, allen voran die Textilindustrie, ausgelagert in die Länder die wir als “Billiglohnländer” kennen. Die Textilindustrie eignete sich dafür besonders gut: Einerseits ist sie die arbeitsintensivste Industrie überhaupt – in keinem anderen Bereich (außer der Landwirtschaft) wird so viel menschliche Arbeitskraft benötigt wie beim Fertigen von Kleidung. Andererseits ist sie wenig “kapitalintensiv”, soll heißen man benötigt eigentlich nur die relativ günstigen Nähmaschinen und keinerlei Technologie.
Race to the bottom
Es ist diese “Mobilität”, die der Textilindustrie ermöglicht immer und immer günstiger zu werden. Und die es den Produktionsländern, die dringend auf die Arbeitsplätze angewiesen sind, fast unmöglich macht bessere Bedingungen zu verhandeln. Als in China langsam Widerstand erwachsen ist gegen diese Art der Ausbeutung und die Löhne ein kleines bisschen gestiegen sind, sind die Firmen schwups – nach Bangladesh! Als sich nach dem Einsturz der Fabrik Rana Plaza die weltweite Aufmerksamkeit auf Bangladesh gerichtet hat und dort minimale Verbesserungen für die ArbeiterInnen erzielt werden konnten, setzte der große Umzug in das nahezu unreglementierte Myanmar ein.
Die totale Flexibilität
Diese Auslagerung, die “Globalisierung der Produktion”, ist aber nur ein – zugegeben zentraler – Teil dieser totalen Umstrukturierung. Denn es geht nicht nur um die billigen Löhne oder die niedrigeren Umwelt- und ArbeitnehmerInnenstandards. Es geht vor allem um das Zauberwort: Flexibilität! Denn nur ein Bruchteil der Modeunternehmen, die ihren Sitz in den USA, Schweden, Irland oder Deutschland haben bauen tatsächlich eine Werkstatt in Sri Lanka, um dort zu günstigen Löhnen ihre Kleidung produzieren zu lassen. Wäre das der Fall könnte man die Unternehmen sehr viel leichter dazu bringen bestimmte Standards einzuhalten und bessere Löhne zu zahlen. Stattdessen vergeben die Unternehmen aber Aufträge an lokale Unternehmer – und zwar an denjenigen der ihnen das günstigste Angebot macht. Diese Unternehmer lassen die in Auftrag gegebenen Kleidungsstücke dann entweder in ihrer Fabrik produzieren oder vergeben den Auftrag selbst wiederum weiter, an noch kleinere Werkstätten oder Arbeiterinnen, die von zu Hause aus arbeiten. Natürlich wieder an den- oder diejenige die es zum niedrigsten Preis macht. So sind die Modeunternehmen, maximal flexibel: Sie schauen, wer ihnen das beste Angebot für Jeans macht, wo sie am billigsten Strickpullover herbekommen und wo die günstigsten T-Shirts. Sie gehen dabei keinerlei Verpflichtungen ein: Sie haben selbst keine Näherinnen angestellt, deren Rechte sie wahren müssten, keine Investitionen getätigt, die sich rechnen sollen. Und: Wie und wo ihre Kleidung dann letztendlich produziert wird, können – und wollen – die Konzerne dann letztlich oft gar nicht mehr wissen.
Es ist nicht alles fair, was glänzt… oder so ähnlich
Okay, 5 Euro für ein T-Shirt haut einfach nicht hin. Aber wenn ich viel Geld für meine Kleidung ausgebe, dann müssen die Näherinnen doch gut bezahlt werden und die Konzerne Sicherheitsstandards einhalten können oder? Sollte man meinen, ja. Aber ganz so einfach ist es für KonsumentInnen leider nicht. Leider werden auch teure Sportschuhe und Markenkleidung unter ähnlichen, manchmal zu unter den exakt gleichen Bedienungen hergestellt wie die üblichen Verdächtigen. In den riesigen Fabrikhallen wird Kleidung für verschiedenste Marken produziert, oft Billigjeans neben Markenhose. Der Preis alleine sagt also noch nichts über die Geschichte hinter der Kleidung aus. Dafür muss man sich mit jedem Unternehmen im einzelnen Beschäftigen. Da die Textilindustrie wenig transparent ist, eine nicht ganz leichte Aufgabe.
Also alles egal? Können wir dann nicht gleich die billigen unfairen Kleider kaufen? Nein! Es ist an der Zeit uns bewusst zu werden das Kleidung einen Wert hat, dass Arbeit darin steckt, Zeit und Material. Und es ist an der Zeit zu verstehen, dein T-Shirt für 5 Euro nicht normal ist. Auch wenn nicht jedes teure Kleidungsstück fair produziert ist, so ist die Bereitschaft mehr Geld für Kleidung auszugeben und dafür wenige zu kaufen, die Voraussetzung dafür, dass Näherinnen fair bezahlt werden, die Umwelt nicht zerstört wird und Unternehmen sozial agieren können.
Fair, fair, fair … Was ist eigentlich fair?
Fairness gegenüber unseren Näherinnen
Wir bieten unseren Frauen eine feste Anstellung mit einem Lohn, von dem sie sich und ihre Familie gut ernähren können, sowie bezahlten Urlaub. Sie arbeiten fünf Stunden am Tag, sodass sie Beruf und Familie gut vereinbaren können. Besonders wichtig ist uns, dass die Anstellung bei Jyoti – Fair Works sie nicht in ein Abhängigkeitsverhältnis bringt. So finanzieren wir mit unseren Einnahmen zusätzlich Alphabetisierungs- und Fortbildungskurse für die Frauen. Besonderen Wert legen wir dabei auf Themen Gesundheit, Frauen- und Arbeitnehmerrechte.
Fairness gegenüber unseren Partnern
Mit all unseren Partnern und den am Produktionsprozess Beteiligten, achten wir auf ein partnerschaftliches und gleichberechtigtes Miteinander. Wir beziehen unsere Stoffe ausschließlich von Kooperativen und kleinen Familienbetrieben, die wir persönlich kennen. So können wir sicherstellen, dass kein Cent von großen Konzernen oder Mittelmännern verschluckt wird, sondern wirklich bei den Produzenten ankommt und ihr Handwerk unterstützt.
Fairness gegenüber euch
Das heißt für uns den Kunden*innen transparent aufzuzeigen, wo und wie ihr erworbenes Produkt produziert wird. So wollen wir unseren Kunden/innen in den Entstehungsprozess ihrer Produkte einbeziehen und ihnen ein neues Gefühl für deren Komplexität und Wert vermitteln.
“Was Fair Trade für euch bedeutet, ist nicht Fair Trade für uns”
Interview mit Latha (zum Aufklappen)
Wir haben Latha, die bei unserem Partner Dastkar Andrah für Design und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, getroffen und mit ihr über ihr Unternehmen und die Problematik von Zertifikaten gesprochen.
Warum wurde Dastkar gegründet?
Die ursprüngliche Idee war durch die Förderung traditionellen Weberhandwerks die lokale Wirtschaft zu unterstützen. Über 200.000 Weber in den Dörfern aus der Region um Hyderabad sind abhängig von diesem Handwerk. Das Problem ist, dass sie ihre Stoffe auf dem lokalen Markt nicht mehr verkaufen können, da die Konkurrenz aus China oder sogar Großbritannien einfach zu stark ist. Deshalb haben wir uns entschieden mit verschiedenen Kooperativen zusammen zu arbeiten und für diese das Marketing und die Auftragsverwaltung zu übernehmen.
Wie funktioniert das genau?
Wir arbeiten mit 22 Kooperativen in 7 Distrikten zusammen. All diese Kooperativen haben sich in den 60ern gegründet, da die Weber gemeinsam bessere Preise verhandeln und Kosten sparen können. Die Weber arbeiten alle von Zuhause. Die Kooperativen haben einen Vorstand, der alle vier Jahre neu gewählt wird. Mit diesem arbeiten wir zusammen. Wir sammeln also die Aufträge, z.B. von euch und geben sie an die Kooperativen weiter, da wir als Dastkar wissen welche Weber welche Designs und Farben herstellen können. Die Preise geben die Kooperativen vor.
Und woher bekommen die Kooperativen die Baumwolle bzw. das Garn?
Von welcher Baumwollplantage genau die Baumwolle kommt aus der unser Garn ist, lässt sich nicht sagen. In Indien geben die meisten Baumwollbauern ihre Ernte an große, staatlich kontrollierte Zwischenhändler ab. Zur Säuberung wird die Baumwolle in einen Topf geworfen und dann an große Spinnereien weitergegeben. Zurück bis ans Feld lässt es sich also nicht verfolgen.
Das Garn beziehen die Kooperativen direkt von einem Garnverkäufer bei uns in der Region, also ohne weiteren Zwischenhändler. Dann wird das Garn in Färbereien, die teilweise auch zu den Kooperativen gehören, gefärbt. Dafür nutzen wir nur Chemikalien, die auch von GOTS erlaubt sind.
Aber zertifiziert sind die Stoffe von Dastkar nicht. Warum?
Wir verkaufen fast nur innerhalb Indiens und haben einen japanischen Kunden, da fragt niemand danach. Unsere Partner schätzen die “Seele” unserer handgewebten Stoffe, die eben nicht Meter für Meter perfekt maschinell hergestellt sind. Jeder Stoff ist anders hergestellt und hat eine andere Geschichte, die zu kennen ist viel wichtiger als ein Zertifikat. Außerdem kostet solch ein Zertifikat, und die Prozesse die damit einhergehen, sehr viel Geld. Dessen sind sich nur wenige Kunden bewusst. Überhaupt, was fairtrade für euch bedeutet, ist nicht fairtrade für uns!
Du meinst globale Standards sind nicht so eindeutig wie sie für den westlichen Kunden erscheinen?
Ja genau! Die Kunden wollen nur ihr Siegel “fair” und “nachhaltig” aber fragen nicht mehr was denn eigentlich hinter der Produktion der Kleidung steckt. Das sind komplizierte Fragen. Zum Beispiel Kinderarbeit. Natürlich ist es grauenhaft wenn Kinder ausgebeutet und misshandelt werden, oder wenn sie nicht zur Schule gehen können, weil sie ganze Betriebe durch ihre unbezahlte Arbeit am Laufen halten müssen. Aber gerade im Kunsthandwerk von dem viele dieser kleinen Dörfer leben, ist es sehr wichtig zu lernen, wenn man noch jung ist. Das beginnt damit als Kind dem Vater zuzusehen und ihm später zur Hand zu gehen – und ja, auch zu arbeiten. Der angeblich so eindeutige Stempel “fair trade” erlaubt das nicht. Es ist nicht nur schwarz und weiß.
Fair ist seinen Preis.Wert.
Um das nochmal festzuhalten: das 5 Euro Shirt war nicht immer die Norm. Es scheint billig, ist aber teuer erkauft! Den wahren Preis zahlen Näherinnen, Stoffproduzenten, Baumwollbauern und die Umwelt. Es ist deshalb an der Zeit uns bewusst zu werden was Kleidung wert ist, wie viel Arbeit darin steckt und auch bereit zu sein mehr Geld in fair und transparent produzierte Kleidung auszugeben. Denn ja, sicherzustellen, dass Alle an der Wertschöpfungskette unserer Kleidung Beteiligten unter fairen Bedingungen arbeiten, kostet Geld. Und ja, deshalb kostet fair hergestellte Kleidung oft mehr als konventionell Mode. Wir behaupten aber einfach mal ganz frech: das ist seinen Preis wert.