Jyoti x Retraced: Transparenz in globalen Wertschöpfungsketten – Wie geht das?
Was bedeutet Transparenz für uns und wie setzen wir sie um?
Transparenz war schon immer eines der wichtigsten Themen für Jyoti. Das heißt wir wollen wissen welchen Weg unsere Kleidung geht, wer sie in den Händen gehalten hat und unter welchen Bedingungen sie entstanden ist.
Deswegen arbeiten wir sehr eng und persönlich mit den Menschen zusammen, die an der Herstellung unserer Produkte beteiligt sind. Seit nun schon 8 Jahren kooperieren wir mit der Indischen NGO Jyothi Seva Kendra in Chittapur und einige der Frauen in der Nähwerkstatt sind schon seit diesem Zeitpunkt dabei. Wir sind regelmäßig vor Ort um mit den Frauen an neuen Designs zu arbeiten aber auch – und hier geht es einen Schritt weiter in dem Bemühen um Transparenz – um die Menschen zu finden, kennenzulernen und bewusst auszuwählen die in den weiteren Schritten der Wertschöpfungskette versteckt sind und beispielsweise unsere Stoffe weben oder das Garn dafür spinnen. Durch viele Reisen und einiges an Recherche haben wir in Indien inzwischen ein großes Netzwerk an Stoffproduzentinnen und –produzenten aufgebaut, manche davon sind Familienbetriebe, andere WeberInnen-Kooperativen, wieder andere beeindruckende Sozialunternehmen die besondern Wert auf die Nachhaltigkeit ihrer Produkte, die Förderung des Kunsthandwerks oder einzelner benachteiligter Bevölkerungsgruppen legen.
Transparenz heißt für uns aber nicht nur selbst Wissen zu haben und dadurch sozial und ökologisch nachhaltig arbeiten zu können, sondern auch diese Einblicke mit euch zu teilen. Wir bemühen uns deshalb für jedes einzelne unserer Produkte so genau wie möglich zu beschreiben welchen Weg es bisher gegangen ist und haben auf unserer Homepage alle Schritte unserer Wertschöpfungskette genaustens erklärt. Da geht es einerseits darum wie Kleidung überhaupt entsteht, von der Baumwollpflanze übers Garn, den gewebten Stoff und schließlich das fertige Produkt und andererseits stellen wir die Menschen vor die dahinter stehen. Die Weber und Weberinnen und die inzwischen fast 20 Frauen die die beiden Nähwerkstätten in Chittapur und Londa betreiben. Außerdem versorgen wir euch über unseren Blog und Social Media mit vielen wissenswerten Informationen zu Materialien, Produkt-Lebenszyklen, dem Designprozess, etc. Aber warum ist uns Transparenz eigentlich so wichtig?
Und warum ist das wichtig?
Wir wollen einerseits ein Bewusstsein schaffen, dafür wo unsere Kleidung eigentlich herkommt, wie viel Arbeit in ihr steckt und wem wir sie zu verdanken haben. Das schafft Wertschätzung und Dinge, die wir wertschätzen, behandeln wir automatisch besser. Ein besserer Umgang mit unserer Kleidung, also mehr Sorgfalt beim Tragen und Aufbewahren, die richtige Pflege, aber auch die Weiterverwendung wenn wir sie nicht mehr Anziehen, hat zur Folge dass Produkte länger leben und nicht so schnell auf dem Müll landen. Das tut nämlich ein viel zu großer Teil der produzierten Kleidung. (In unserer Beitragsreihe Circular Wardrobe, sowie dem Blogartikel Wie geht Mode ohne Müll haben wir uns genauer mit dem Thema Mode, Müll und verantwortungsbewusstem Umgang auseinandergesetzt)
Ein erhöhtes Bewusstsein für textile Wertschöpfungsketten sorgt außerdem auch für eine kritische Auseinandersetzung mit der konventionellen Textilindustrie und ihren Missständen auf ökologischer und sozialer Ebene. Wir wollen Menschen dazu ermutigen nachzufragen und zu -forschen und eigene, verantwortungsbewusste Konsumentscheidungen zu machen. Gleichzeitig bemühen wir uns mit gutem Beispiel für Andere voranzugehen und hoffen dadurch langfristig mehr Transparenz für alle einzufordern, so dass Unternehmen mangelhafte Produktionsbedingungen nicht mehr so einfach verstecken und stattdessen dafür verantwortlich gemacht werden können.
Stolpersteine auf dem Weg zu transparenten Lieferketten
Konsequent transparent zu arbeiten ist aber gar nicht so einfach. Eine textile Wertschöpfungskette besteht aus vielen, einzelnen Schritten, die von noch mehr Menschen ausgeführt werden. Diejenigen, die ganz vorne in der Wertschöpfungskette stehen und bspw. die Baumwolle ernten, werden in den allermeisten Fällen niemals das fertige Produkt sehen und stattdessen lediglich ihr Produkt (die Baumwolle) an den nächsten in der Kette weitergeben. Das sind oft Großmärkte, die jedes Zurückverfolgen der Rohstoffe unmöglich machen, oder Zwischenhändler, die Aufträge vergeben ohne offen legen zu müssen wohin.
Diese feine Untergliederung von Wertschöpfungsketten, die eng mit der Spezialisierung auf einzelne Arbeitsschritte zusammenhängt, hat ihren Grund. Natürlich ist Spezialisierung ökonomischer als alles aus einer Hand zu produzieren und selbst im traditionellen Kunsthandwerk ist es üblich, dass sich bestimmte Gruppen auf ein Kunsthandwerk konzentrieren und die Produkte für weitere Verarbeitungsschritte weitergeben. Ein Beispiel ist die Kunst des Blockprints, eine Technik bei der Stoffe großflächig mit Holzstempeln bedruckt werden, der viele Familien in der Gegend um Jaipur, einer Stadt im Indischen Bundesstaat Rajasthan, nachgehen. Der Block selbst ist ein Holzblock mit filigranen Mustern, der von besonders fingerfertigen KünstlerInnen in einem muslimischen Viertel mit engen Gassen im Zentrum von Jaipur geschnitzt wird. Die weißen, simplen Baumwollstoffe werden von Webern und Weberinnen in der Gegend hergestellt und schließlich landet alles bei den „Chippa“, die die Stoffe färben und mit den Stempeln bedrucken. Ähnliche Arbeitsteilung kann man in Pochampally beobachten, ein Dorf in der Nähe von Hyderabad, in dem traditionell Ikat-Stoffe hergestellt werden (siehe dazu unseren Blogeintrag über Ikat.
Diese Eigenschaft von Produktionsketten macht es – egal ob bewusst nachhaltige oder konventionelle Produktion – schwer, persönlichen Kontakt zu allen Beteiligten zu halten. Es sind einfach zu viele. Wenn persönliche Kontakte nicht mehr ausreichen oder unsere Kapazitäten übersteigen würden brauchen wir für konsequente Transparenz also etwas Unterstützung und deswegen haben wir vor etwa 6 Monaten begonnen mit Retraced zusammen zu arbeiten.
Unsere Zusammenarbeit mit retraced
Retraced ist eine Plattform, die Modeunternehmen dabei unterstützt mehr Transparenz in ihre Wertschöpfungskette zu bringen. Mit Hilfe ihrer Lösung können Modeunternehmen ihre Wertschöpfungskette leichter nachverfolgen, Daten über ihre Produktionsstandards sammeln und diese ihren Konsumenten präsentieren. Retraced stellt dabei ihre Plattform zur Verfügung, um die Datensammlung und Nachverfolgung für die Marken zu vereinfachen und die erhaltenen Daten auszuwerten und zu überprüfen. Ist ein Kunde an einem der nachverfolgten Produkte interessiert, kann er/sie die Daten sowohl im Geschäft als auch beim Onlineshopping einsehen und sich schnell und einfach ein Bild von dem Produkt und seiner Geschichte machen und sicher gehen, dass die gezeigten Daten richtig sind.
Wie das genau funktioniert? Im Prinzip sehr einfach. Jeder und jede der für einen Schritt in unseren Wertschöpfungsketten verantwortlich ist, wird ein eigener retraced user und bestätigt in einer App wenn er oder sie den jeweiligen Produktionsschritt getan hat. Das kann das Spinnen einer Rolle Garn sein, das Weben von 100m Stoff, oder das Nähen der einzelnen Produkte und der anschließende Versand nach Deutschland. Die App erkennt dabei bspw. an welchem Ort der Auftrag bearbeitet wurde oder verrechnet Produkt und Stoffmengen und gleicht das mit unseren Angaben zur Herstellung ab.
Was ist schon passiert ist und wie geht es jetzt weiter?
In den letzten Monaten haben wir bereits die ersten Schritte für unsere Zusammenarbeit unternommen. Dazu war Caro im November in den Nähwerkstätten und bei vielen unseren StoffhändlerInnen vor Ort und hat all diesen Menschen, die an der Herstellung unserer Produkte beteiligt sind, retraced und die App zur Dateneinsammlung vorgestellt, mit der wir in Zukunft arbeiten wollen. Neben der Sicherstellung unserer Wertschöpfungsketten, ermöglicht uns retraced dann die Reise jedes einzelnen Produkts anschaulich darzustellen und euch näher zu bringen. Ab sofort werdet ihr in jedem unserer Kleidungsstücke einen QR Code finden, den ihr ganz einfach scannen könnt, um auf einen Blick alle Details zu seiner Geschichte nach zu vollziehen.
Das Schöne ist, dass Retraced dabei im Hintergrund immer weiterarbeitet und alle in der Wertschöpfungskette miteinander verknüpft. Es liegt also nicht mehr nur an uns, sondern an den Bemühungen vieler vieler Individuen, die ihre Informationen zusammenlegen und sich gegenseitig ergänzen. So kontaktiert Retraced beispielsweise eigenständig unsere StoffproduzentInnen und bittet sie weitere Informationen zu den Zulieferern von Rohstoffen o.ä. zur Verfügung zu stellen. So entsteht Stück für Stück ein größeres und immer transparenteres Bild globaler Wertschöpfungsketten.
Wir hoffen natürlich, dass wir nicht alleine bleiben mit diesem Vorhaben und dass sich mehr und mehr produzierende Unternehmen entschließen mehr Transparenz zu verfolgen und zu zeigen. Je mehr sich freiwillig dazu entschließen und dadurch Standards setzen, desto höher wird der Druck auf die Verbleibenden und damit die Wahrscheinlichkeit dass Produktionsketten fairer und nachhaltiger gestaltet werden.
Wir freuen uns sehr dass das FORBES Magazin auf unsere Kooperation mt retraced aufmerksam geworden ist! Den ganzen Artikel findet ihr hier.